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© IELCH

Chile: Schutz vor häuslicher Gewalt

Regierung schliesst Vereinbarungen mit lutherischer Kirche zur Einrichtung von Frauenhäusern

Zwischen 2001 und April 2009 wurden in Chile ungefähr 392 Frauenmorde registriert. Die meisten dieser Morde wurden von Männern begangen, mit denen die Opfer intime Vertrauensbeziehungen hatten. Nur eine kleinere Anzahl der Morde geht auf das Konto unbekannter Täter.

Einige der Mordopfer hatten im Vorfeld gerichtlich Massnahmen zu ihrem Schutz durchgesetzt und Kontakt- beziehungsweise Annäherungsverbote erwirkt oder Schutzmassnahmen der örtlichen Polizei. In der Praxis funktionierten diese Massnahmen jedoch nicht. Die Gründe sind vielfältig. Die Polizei hatte oft keine ausreichenden Befugnisse, um die Frauen wirklich zu schützen. In manchen Fällen konnte ein Mord trotz aller Sicherheitsmassnahmen nicht verhindert werden.

Wie die Evangelisch-Lutherische Kirche in Chile (Iglesia Evangélica Luterana en Chile – IELCH) berichtet, haben die Opfer jedoch oftmals gar nicht die Möglichkeit, Schutzmassnahmen zu erwirken oder zu nutzen. Wenn die Täter, mit denen die Frau zusammenleben, eine Vorladung zum Familiengericht oder zur Staatsanwaltschaft wegen familiärer Gewalt erhalten, dann eskaliert oft die Situation. Sie schlagen erneut zu. In den dramatischsten Fällen kommen die Frauen zu Tode. NachbarInnen trauen sich oft nicht, einzuschreiten. Die meisten handeln nach der Devise: „In den Streit eines Paares mischt man sich nicht ein.“

Da viele Frauen von ihrem Umfeld isoliert sind, ist es für sie sehr schwer, Hilfe zu finden. Die Kinder werden oft als Mittel der Kontrolle und Erpressung benutzt. Der psychosoziale und seelische Schaden, der über Jahre der Gewalt und physischen Aggression entsteht, setzt das Selbstwertgefühl der Frauen stark herab und nimmt ihnen die Kraft, ihr Leben zu verändern. Das macht es in vielen Fällen unmöglich, einen angemessenen Ausweg aus der Situation zu finden und die Familienbeziehungen zu verbessern. Hinzu kommt die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Tätern.

Einen Ausweg aus dieser aussichtslosen Situation bietet das Frauenhaus „Vida Plena“ („Leben in Fülle“) im Stadtteil Providencia der Hauptstadt Santiago de Chile. Es bietet Schutz für Frauen und ihre Kinder, die sich aufgrund von häuslicher Gewalt in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Es ist ein sicherer Ort, an dem die Frauen vorübergehend leben können. Das Haus wird von der IELCH betrieben und vom chilenischen Frauenministerium (Servicio Nacional de la Mujer – SERNAM) gefördert.

Das Frauenhaus bietet Unterkunft für maximal drei Monate, Massnahmen zur Heilung, psychosoziale und geistliche Betreuung, juristische Begleitung und Hilfe für die Erarbeitung neuer Lebensziele der Frauen und Kinder, die unter familiärer Gewalt leiden. Heute leben zwölf Frauen und 18 Kinder im Alter zwischen einem und 17 Jahren im „Vida Plena“. Zu den Mitarbeitenden gehören Sozialarbeiterinnen, eine Psychologin, eine Finanzbuchhalterin, fünf Erzieherinnen und eine Pfarrerin.

Gegenwärtig hat die IELCH fünf Kooperationsvereinbarungen mit dem Frauenministerium: für drei Frauenhäuser – zwei im Einzugsbereich der Hauptstadt Santiago und eins in Concepción, der Hauptstadt der VIII. Region des Landes – sowie für zwei Anlaufstellen zur Gewaltprävention. Die Frauenhäuser der IELCH sind bisher die einzigen in Chile, die mit der Regierung eine offizielle Vereinbarung über die Förderung dieser Arbeit getroffen haben.

Regierung erkennt Engagement der IELCH an


Für Pfarrerin Dr. Gloria Rojas, seit September 2000 Präsidentin der IELCH, gibt es mehrere Gründe dafür, dass die Regierung mit ihrer Kirche eine Vereinbarungen zur Einrichtung von Frauenhäusern abgeschlossen hat.

So erkenne das Land wie auch die Regierung das Engagement der IELCH für die Verteidigung der Menschenrechte an. Dies gelte für die Zeit der Diktatur in Chile wie auch für die Gegenwart.

Ein weiterer Grund liege darin, dass sich die Kirche für die Gleichberechtigung von Mann und Frau und gegen Diskriminierung engagiere. „Dieser Einstellung wird in einer Gesellschaft, die über die Fähigkeiten der Frau und die Verteidigung der Chancengleichheit diskutiert, höchster Wert beigemessen“, so Rojas. Hinzu komme das konkrete und entschlossene Bekenntnis der Kirche zur diakonischen Arbeit, das eine Antwort auf das Evangelium Jesu Christi darstelle. Hier seien Wort und Tat eng miteinander verbunden.

Für die Frauenreferentin des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrerin Dr. Elaine G. Neuenfeldt, ist „Gewalt gegen Frauen eine Sünde“. Zu ihrer Überwindung bedürfe es einer ganzheitlichen, kollektiven Anstrengung. Die Kirche sei aufgerufen, „ein sicherer Ort für Frauen zu sein, die in von Gewalt geprägten Beziehungen leben und darunter leiden.“ Als weltweite Gemeinschaft rufe der LWB mit seinem Aktionsplan „Kirchen sagen ‚NEIN’ zur Gewalt gegen Frauen“ zu aktiven Fördermassnahmen für Frauen und zu missionarischem, diakonischem und prophetischem Engagement im öffentlichen Leben auf. „Die Erfahrungen in Chile zeigen, wie die Kirche die Initiative ergreifen und aktiv mit dem Staat zusammenarbeiten kann“, so Neuenfeldt.

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