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©LWB/AWD/RDRS Bangladesh

Bangladesh: „Der erste Kredit meines Lebens“

Verbesserte Existenzgrundlagen für Randgruppen in Bangladesch

„Bitte nehmen Sie mich als Mitglied auf. Geben Sie mir einen Kredit. Ich werde ihn auch um jeden Preis zurückzahlen.“ Mit diesen Worten habe sie vor acht Jahren bei einer Gruppe in ihrem Dorf, die Mikrokredite vergab, um Aufnahme gebeten, erinnert sich Salma Begum. Und sie hatte damals Erfolg. Sie bekam den „ersten Kredit ihres Lebens“. Von den 2.000 Taka (circa 29 US-Dollar) kaufte sie getrockneten Fisch und andere Waren, die ihr Ehemann Tafsir Ali dann im Dorf verkaufte. Mit der Zeit konnte er genug Geld sparen, um in einen kleinen Laden zu investieren, während Salma sich dank ihrer Sparsamkeit bald auch Vieh kaufen konnte und ihr eigenes Geschäft eröffnete.

Später lieh sich Salma weitere 8.000 Taka (116 USD) und kaufte eine Rikscha, die sie vermietete und so eine weitere Einkommensquelle hatte. In der folgenden Zeit nahm sie immer wieder Kredite auf, die sie nutzte, um ihre Viehzucht zu vergrössern. Sie besass nun einige Tauben, Enten und Hühner, sechs Ziegen und zwei Kühe. Doch egal wie niedrig die Gewinne der einzelnen Projekte auch sein mochten, Salma hat sich die Regel gesetzt, dass immer ein Teil des Gewinns gespart werden muss.

Selbstbewusst erzählt sie von den erstaunlichen Fortschritten, die sie gemacht hat, seit sie Mitglied einer der vielen Gruppen für Mikrokredite in der Region um Saidpur im Nilphamari-Distrikt im Nordwesten Bangladeschs ist. „Allein durch den Verkauf meiner Tauben verdiene ich 1.500 Taka (22 USD) im Monat, die ich für die Rückzahlung meiner Kredite nutze. Von den Einnahmen aus unserem kleinen Laden können wir unseren Lebensunterhalt bestreiten und sogar noch etwas sparen“, erzählt sie. Die Familie konnte sogar 0,36 Hektar Land kaufen, sodass sie sich selber mit „ausreichend Reis versorgen kann, solange es keine Katastrophen wie Überschwemmungen gibt“, fügt sie hinzu.

LWB-Länderprogramm in Bangladesch

Salma ist fleissig, ehrgeizig und wird von den Menschen in ihrem Dorf respektiert. Sie ist Ausschussmitglied eines örtlichen Verbandes, der vom Rangpur Dinajpur Rural Service (RDRS) unterstützt wird. Der RDRS ist eine der grössten Nichtregierungsorganisationen Bangladeschs und ist in den Regionen Rangpur und Dinajpur im Nordwesten des Landes tätig. Er unterstützt 25.746 Gruppen und mehr als 310 Verbände, die wiederum über 2,7 Millionen Menschen, beziehungsweise 485.127 Haushalte in den ärmsten Teilen der Bevölkerung unterstützen.

Der RDRS wurde 1971 nach Ende des Unabhängigkeitskriegs als Länderprogramm der Abteilung für Weltdienst (AWD) des Lutherischen Weltbundes (LWB) gegründet und später in ein mit der AWD assoziiertes Programm umgewandelt. Er spielte schon immer eine führende Rolle im Bereich der ländlichen Entwicklung in Bangladesch. Während der Programmansatz anfangs auf den grundlegenden Bedürfnissen der Menschen gründete, stehen heute die Ansprüche der Menschen im Blick auf die Wahrnehmung ihrer Rechte im Mittelpunkt (sogenannter rights-based approach). Dies soll die arme Landbevölkerung und ihre Institutionen politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich stärken und durch individuelle und kollektive Bemühungen zu einem nachhaltigen Umgang mit der Umwelt beitragen.

Salma hat sich entschlossen, bei der Wahl des „Union Parishad“, der untersten Ebene der Lokalverwaltung, anzutreten, um dort die arme Bevölkerung ihres Dorfes zu vertreten. Im Jahr 2000 hätte sie diesen Schritt nicht einmal in Erwägung gezogen. Tatsächlich wurde sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal von ihren NachbarInnen unterstützt, als sie sich um eine Mitgliedschaft in der Gruppe für Mikrokredite bemühte, da diese nicht daran glaubten, dass sie in der Lage sein werde, die Kredite zurückzuzahlen. Damals lebte sie mit ihrem Mann regelrecht von der Hand in den Mund.

Der Manager der örtlichen RDRS-Niederlassung, Abdul Gafur, beschreibt Salma als risikofreudig und Vorbild für andere. Ihr Ehemann, Rikscha-Läufer Ali, lächelt, wenn er auf den Erfolg seiner Frau angesprochen wird. Als Vater ist er froh, dass seine Kinder in die Schule gehen.

„Ich hoffe, dass mein Sohn einen Master-Abschluss machen kann und dass meine Töchter eine bessere Ausbildung bekommen, sodass wir in Zukunft besser leben können“, betont Salma. Im Hinblick auf ihr Engagement in der Lokalpolitik sagt sie: „Ich wachse und wachse, meine Projekte werden grösser. Ich werde mich von dem Leben in Armut verabschieden können. Und ich werde meiner Familie sowie meinen Nachbarn und Nachbarinnen helfen.“

Herstellung von Räucherstäbchen

Wie Salma und Ali leben mehr als 70 Prozent der 153 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung Bangladeschs in ländlichen Gebieten, wo sich die Lösungsansätze für die Probleme der armen Bevölkerung verändern. Während früher ein kleines Stückchen Land ausreichte, um einer Familie aus der Armut zu helfen, gibt es heute verschiedene Möglichkeiten, dies zu erreichen, da Technologien angepasst und Märkte geöffnet werden – ein Prinzip, das auch viele der vom RDRS unterstützten Haushalte und Gruppen nutzen.

Roksana Begum ist nicht nur arm, sondern auch obdachlos. Wie Tausende Angehörige der Volksgruppe der Bihari lebt sie mit ihrem Ehemann Mohammad Ibrahim und ihren fünf Kindern in einem 280 Haushalte umfassenden Lager ausserhalb von Saidpur. Seit inzwischen über 30 Jahre leben die Menschen dieser Volksgruppe ausgeschlossen von der Gesellschaft und geächtet, weil sie die Verlierer des Unabhängigkeitskriegs unterstützt hatten.

Obwohl sich die rechtliche und politische Situation der Bihari heute deutlich verbessert hat, kämpft die Familie ums Überleben, da Ibrahim als Gelegenheitsarbeiter am örtlichen Bahnhof nur 150 bis 300 Taka (rund 2 bis 4 USD) am Tag verdient. Bis vor kurzem verdiente Roskana durch den Verkauf von 1.000 selbstgemachten Räucherstäbchen an einen Unternehmer im Ort etwa sieben Taka (circa zehn USD-Cent) dazu.

Seit Roksana Mitglied des RDRS ist, ist ihr klar geworden, dass sie mehr Geld verdienen könnte, wenn sie ihr eigenes Geschäft eröffnet. Mit der Unterstützung ihrer Freundin Sabana beantragte sie einen Kredit über 5.000 Taka (73 USD), um damit die benötigten Materialien zu kaufen und allmählich ihren Verdienst zu steigern. „Früher stellte ich Räucherstäbchen für andere her, heute tue ich dies in Eigenregie und habe sogar drei Angestellte. Ich verdiene genügend Geld, dass meine Familie nicht mehr leiden muss“, erzählt sie, während sie in ihrem überfüllten Haus arbeitet.

Auch wenn Roksana schon jetzt genug verdient, dass jeden Tag ausreichend Essen auf dem Tisch ist und sie das Schulgeld für ihre Kinder bezahlen kann, möchte sie ihr Unternehmen vergrössern. Sie möchte auch den letzten Schritt in der Herstellung von Räucherstäbchen – das Parfümieren der Räucherstäbchen, das bisher von dem Unternehmen gemacht wurde, von dem sie das Rohmaterial kaufte – erlernen, damit sie die Stäbchen direkt an die HändlerInnen in der Stadt verkaufen kann, ohne den Umweg über andere ZwischenhändlerInnen gehen zu müssen. Bis dahin versucht sie, so viel wie möglich für die Zukunft zu sparen und ist zuversichtlich, dass sich ihre Ware auch in Zukunft gut verkaufen wird. „Ich habe zwar eine Ziege und werde auch bald eine Kuh kaufen, um die Milch zu verkaufen, aber diese könnten schliesslich sterben und dann wäre ich wieder arm“, sagt sie. Für ihre Räucherstäbchen würden sich jedoch immer KäuferInnen finden und somit würde sie auch immer ein Einkommen haben.

Der RDRS gehört als assoziiertes Programm zu den Länderprogrammen der LWB-Abteilung für Weltdienst (AWD), die humanitäre Nothilfe und Entwicklungsarbeit für Gemeinwesen in 36 afrikanischen, asiatischen, latein- und mittelamerikanischen sowie europäischen Ländern leistet.

Dieser Artikel basiert auf einer Reihe von RDRS-Featureartikeln.

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