en|de|es|fr

HomeEntdeckenBiblische ÜberlegungenKetten der Abhängigkeit durchbrechen

© LWB/AWD El Salvador

ChristInnen müssen ungerechte und Hunger verursachende Systeme anprangern

Für ChristInnen gehört der Zugang zu ausreichender, sicherer und gesunder Nahrung seit jeher zu den Grundlagen einer gerechten, friedlichen und zukunftsfähigen Welt. „Gib uns unser tägliches Brot“ lautet die Bitte, die Millionen von ChristInnen jeden Tag wiederholen, wenn sie das Vaterunser beten.

„Unser tägliches Brot gib uns heute“ lautet auch das Thema der Elften LWB-Vollversammlung im Juli 2010.

Die Vision vom „täglichen Brot“ steht in scharfem Kontrast zur Realität in der Welt heute, in der nahezu eine Milliarde Menschen nicht genug zu essen haben. Diese grausame Ungerechtigkeit wird noch dadurch verschärft, dass wir de facto genügend gesunde Nahrung produzieren, um alle Menschen in der Welt satt machen zu können.

Wir leben in einer zerbrochenen, sündigen Welt, in der überall um uns herum Hunger herrscht. Als mitfühlende, gläubige Menschen reagieren wir darauf, indem wir Nahrung anbieten. Jesus lobt diejenigen, die den Hungrigen zu essen geben, mit den Worten: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40).

Der LWB erfüllt seinen Auftrag zur Förderung einer gerechten, friedlichen und zukunftsfähigen Welt über seine Abteilung für Weltdienst (AWD), die in mehr als 30 Ländern Nothilfe und effektive langfristige Entwicklungsarbeit leistet. Ziel der AWD-Programme ist es, stabile und nachhaltige Bedingungen zu schaffen, die die Menschen handlungsfähig machen, sodass sie ihren Bedarf an Nahrungsmitteln selbst decken und die Ketten der Abhängigkeit durchbrechen können.

Der LWB führt diese Programme in Zusammenarbeit mit vielen ökumenischen Partnern aus aller Welt im Rahmen des internationalen Netzwerks ACT International (Action by Churches Together – Kirchen helfen gemeinsam) durch.

„Wahres Mitgefühl bedeutet mehr, als einem Bettler eine Münze zuwerfen. Es bedeutet, jene Form, die Bettler erzeugt, muss umstrukturiert werden.“

Pfr. Dr. Martin Luther King, Jr. | US-amerikanischer Bürgerrechtler

Zwar ist es notwendig und verdient Anerkennung, dass wir Menschen in Zeiten der Not Nahrung geben, aber Gott fordert auch von uns, dass wir die Ketten der Ungerechtigkeit durchbrechen und die Unterdrückten befreien: „Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, … gib frei, die du bedrückst“ (Jes 58,6).

Dieser prophetische Ansatz erfordert, dass wir uns mit den Systemen, die destruktiven und lähmenden Hunger verursachen, auseinandersetzen, sie hinterfragen und bekämpfen. Unsere Soforthilfe für Menschen in grösster Not muss einhergehen mit der Aufdeckung und Beseitigung der Ursachen von Hunger, die häufig direkt aus den Aktivitäten der „Mächte und Gewalten“ (Kol 2,15) resultieren.

Wie Martin Luther in seinem Grossen Katechismus schreibt: „Denn wenn du ‚tägliches Brot’ sagst und darum bittest, so bittest du um alles, was dazu gehört, um das tägliche Brot zu bekommen und zu geniessen; und andrerseits bittest du auch um Abwendung von allem, was das hindert.“

In kurzen Worten: bitte um Brot, geniesse es und lehne dich gegen alle Mächte auf, die die Vision vom Brot für alle verzerren. Luthers Kommentare zur vierten Bitte des Vaterunsers stellen die Versuchung in Frage, der ChristInnen im Norden allzu leicht verfallen: Barmherzigkeit – caritas – ohne wirtschaftliche Gerechtigkeit. Luther wendet sich gegen die Tendenz, lebensnotwendige wirtschaftliche Güter karitativ bereitzustellen, ohne gleichzeitig wirtschaftliche Unterdrückung und Ausbeutung, die die Armen arm gemacht haben, mit klaren Worten anzuprangern.

Da es genügend Nahrungsmittel in der Welt gibt, um Ernährungssicherheit für alle zu gewährleisten, müssen wir feststellen, dass Hunger das Ergebnis ungleicher Verteilung und Ungerechtigkeit ist. Einige haben offensichtlich mehr, als sie brauchen, während andere hungern. Unser Glaube verurteilt eine solche Ungerechtigkeit. Egal, ob Gier, geschichtliche oder ökologische Faktoren oder einfach Unwissenheit die Ursache sind, wir können Hunger nirgendwo akzeptieren. Zugang zu ausreichender und gesunder Nahrung ist ein Recht, das allen Menschen zusteht, und kein Privileg, das nur Menschen, die über genügend Mittel verfügen, geniessen dürfen.

Der LWB setzt sich vor allem über sein Büro für Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte (BIAMR) aktiv dafür ein, dass die „Ketten der Ungerechtigkeit“ durch internationale anwaltschaftliche Arbeit gebrochen und Machtstrukturen und -beziehungen verändert werden. Er engagiert sich anwaltschaftlich auf vielen Ebenen und in vielen Kontexten, von der Basis bis hin zu nationalen und regionalen, internationalen und globalen Foren, wo er wirtschaftliche Unterdrückung und Ausbeutung, die zu Verarmung führen, anprangert.

Gegenwärtig formiert sich eine breite ökumenische Bewegung zur Bekämpfung der Grundursachen des Hungers in der Welt.

Im Rahmen des Globalen ökumenischen Aktionsbündnisses (EAA), dem der LWB angehört, haben evangelische, die römisch-katholische und evangelikale Kirchen und Organisationen eine Vierjahreskampagne zum Thema Ernährung lanciert. Indem sie gemeinsam anwaltschaftliche Arbeit in mehreren kritischen Bereichen leisten, stärken sie ihr Engagement und ihre Stimme für Gerechtigkeit und haben so eine grössere Chance, in Kirchengemeinden, in Politik und Wirtschaft etwas zu bewegen.

Im Mittelpunkt der im Mai 2009 gestarteten Kampagne steht das Recht aller Menschen auf ausreichende und gesunde Nahrung. Die Kampagne beschäftigt sich nicht nur mit der Frage, wie Nahrungsmittel produziert werden und was konsumiert wird, sondern untersucht auch die ungerechte und unverantwortliche Politik und Praxis bei Anbau und Beschaffung von Nahrungsmitteln heute. Alle Kirchen, christlichen Organisationen und Einzelpersonen können an dieser Kampagne zur Beseitigung des Hungers teilnehmen, indem sie sich für die Bekämpfung ungerechter Systeme einsetzen, die unser Leben im Einklang mit der Schöpfung gefährden.

Peter Prove | Assistent des LWB-Generalsekretärs im Bereich Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte

Francesca Traglia | BIAMR-Projektkoordinatorin

Sara Speicher | EAA-Kommunikationsberaterin

streaming

Videos von der Elften Vollversammlung

RSS-Feed Vollversammlungs-Nachrichten (DE)
Communio Garden Communio Garden
facebook facebook
youtube YouTube
flickr flickr
twitter Twitter-Feed der Vollversammlung