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PodiumsteilnehmerInnen diskutieren das Problem illegitimer Schulden während einer öffentlichen Anhörung am 24. Juli bei der Elften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Stuttgart, Deutschland. © LWB/J. Latva-Hakuni

25.07.2010

Prophetische Diakonie mit politischem Anspruch

Kirchen beziehen Position in Fällen illegitimer Auslandsschulden

Stuttgart (Deutschland), 25. Juli 2010 – Die Finanzkrise der letzten Jahre bietet neue Chancen für die Diskussion, armen Ländern Teile ihrer Auslandsschulden zu erlassen. „Der Virus der Verschuldung und der Finanzkrise hat die ganze Welt angesteckt“, so der argentinische Pastor Ángel Furlan bei einer Anhörung zu Fragen illegitimer Auslandsschulden im Rahmen der Elften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB), die von 20. bis 27. Juli in Stuttgart tagt.

Weil die Finanzkrise auch Länder des Nordens betrifft und dort – beispielsweise in Island und Griechenland – die Bevölkerung unter den Folgen staatlicher Verschuldung leidet, tauchten neue Bündnispartner auf, die Regeln für das internationale Finanzsystem unter neuen Gesichtspunkten forderten, so eine Einschätzung der Teilnehmenden bei der Anhörung.

Jürgen Kaiser von dem deutschen Bündnis Erlassjahr, in dem rund 700 entwicklungspolitisch engagierte Organisationen zusammenarbeiten, sieht Chancen, die Diskussion in Zukunft neu zu beleben. Die Finanzkrise biete die Chance, den Schuldendienst zu reformieren und auf rechtsstaatliche Systeme zu stützen, so Kaiser. Es gehe dabei nicht allein darum, Ländern Schulden zu erlassen, sondern – ähnlich den in der Wirtschaft üblichen Insolvenzverfahren – „die Mechanismen zu verändern, mit denen Länder im Schuldendienst gehalten werden.“

Furlan unterstrich den notwendigen Beitrag der Kirchen in dieser Diskussion: „Viele Staaten geben auch weiterhin Geld auf Kosten ihrer Bevölkerung aus. Wir als Gemeinschaft der Kirchen müssen davon sprechen und diesem Thema nicht aus dem Weg gehen, das gehört zu unserem diakonischen Auftrag.“ Ziel sei es, „durch eine prophetische Diakonie mit politischem Anspruch“ dauerhafte Veränderungen zu erreichen. „Ethisch ist es richtig, Schulden zurückzuzahlen. Es ist aber nicht richtig, für Betrug und Schwindeleien zu bezahlen“, so Furlán.

Der frühere Präsident der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (IELU) in Argentinien leitet seit 2004 ein LWB-Programm, das sich mit der Illegitimität von Auslandsschulden in Lateinamerika und der Karibik auseinander setzt.

Der LWB unterstützt seit Ende der 1990er Jahre Mitgliedskirchen, die sich dafür einsetzen, dass ihren Ländern bestimmte Auslandsschulden erlassen werden, weil sie von diktatorischen Regierungen für nutzlose Ausgaben aufgenommen wurden oder gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet sind. Ein Beispiel schilderten Bischof Sumoward Harris von der Lutherischen Kirche in Liberia und Margareta Grape von der Schwedischen Kirche.

Bis 1980 erwarb die liberianische Regierung in Schweden Kriegsschiffe im Wert von 6,44 Millionen US-Dollar plus 1,8 Millionen USD Zinsen, was Liberia eine hohe Schuldenlast einbrachte. 2008 wandten sich die beiden Kirchen gemeinsam an die schwedische Regierung mit der Forderung, dass diese ihre Mitverantwortung anerkennt und Liberia die Schulden als illegitim erlässt. Die Initiative hatte teilweise Erfolg – die schwedische Regierung erliess die Schulden, erkannte allerdings keine Mitverantwortung an und verrechnete die Summe zu Lasten des Entwicklungshilfehaushalts.

In einem weiteren Fall hatten die Kirchen in Costa Rica und Finnland eine Kreditvergabe dokumentiert, die mit Korruption und unfairen Konditionen verbunden war, wie Cristina Mora, Lutherische costa-ricanische Kirche, und Tuula Siljananen, Evangelisch-Lutherische Kirche Finnlands, darstellten. Die finnische Regierung hatte mit einem sogenannten Exportkredit Ausrüstung für costa-ricanische Krankenhäuser ermöglicht, doch die Geräte mussten von einer bestimmten finnischen Firma stammen. Sie waren ausserdem technologisch zu kompliziert und deshalb nicht brauchbar. Die Kirchen unterstützen den Wandel von einem engen juristischen Verständnis zu einem umfassenderen moralisch-ethischen Ansatz, erläuterte Siljanan. In diesem Prozess forderten die Kirchen Transparenz in der Regierungsführung und bei Unternehmensentscheidungen ein.

Pastor Atle Sommerfeld von der norwegischen Hilfsorganisation „Norwegian Church Aid“ unterstrich die Beiträge der Kirchen zu internationalen Prozessen, zum Beispiel in der UNCTAD. „Man muss den Mut haben, die Regierungen auf einfach ethische Massstäbe hinzuweisen.“ Da die Einzelfälle zumeist „technisch kompliziert“ seien, sei es sinnvoll, sich mit Menschen und Organisationen mit den entsprechenden Fachkenntnissen und Ressourcen zusammenzuschliessen. (587 Wörter)

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