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© Mikka McCracken

08.02.2010

Fragen globaler Gerechtigkeit sind unser „tägliches Brot“

Region Nordamerika diskutiert Thema der Elften LWB-Vollversammlung

Kitchener (Ontario/Kanada)/Genf, 1. Februar 2010 (LWI) – Die Vorbereitende Konsultation zur Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) für die Region Nordamerika (NAPAC) fand vom 29. bis 31. Januar in der Evangelisch-Lutherischen St. Petrus-Kirche in Kitchener (Kanada) statt. Im Mittelpunkt standen Appelle an lutherische ChristInnen, Verantwortung für die Rechte indigener Völker, für Klimagerechtigkeit, Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Gerechtigkeit zu übernehmen und sich gegenseitig Rechenschaft über ihr Tun abzulegen. Ferner riefen zahlreiche RednerInnen zu einer ehrlichen und kritischen Auseinandersetzung mit dem Auftrag des LWB in der Welt auf.

„Wie sieht die Gerechtigkeit aus, die wir als nordamerikanische Christen und Christinnen an diesem Ort und zu dieser Zeit nach Gottes Willen üben sollen?“, lautete die Frage, die Jennifer Henry vom kanadischen ökumenischen Gerechtigkeitsnetzwerk KAIROS an die 50 NAPAC-Teilnehmenden richtete. Die von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kanada (ELKIK) ausgerichtete Konsultation bereitete die Delegierten auf die Elfte LWB-Vollversammlung vor, die vom 20. bis 27. Juli 2010 in Stuttgart (Deutschland) stattfinden wird.

In ihrer Rede am Eröffnungstag der NAPAC ging Henry auf das Thema der Vollversammlung „Unser tägliches Brot gib uns heute“ ein und nannte drei Themen, die sich in Kanada im Rahmen des ökumenischen Engagements für globale Gerechtigkeit stellen: Rechte der indigenen Völker, Unternehmensverantwortung und Klimagerechtigkeit.

Im Blick auf die Lage der indigenen Völker in Nordamerika stellte Henry fest, „dass Selbstmord mittlerweile zu den häufigsten Todesursachen unter Jugendlichen der First Nations im Alter von 10 bis 24 Jahren gehört“ und fünf bis sechsmal häufiger sei als bei anderen Jugendlichen. „Wir praktizieren eine ganzheitliche Mission und wissen daher, dass der Zugang zu Dienstleistungen nur ein Teil der Lösung des Problems ist. In der ökumenischen Gemeinschaft setzen wir uns schwerpunktmässig für Landrechte und Selbstbestimmung der Aborigines ein, damit diese Gemeinschaften ihr Land und ihre Ressourcen schützen und für sich selbst nutzen können“, erklärte sie.

Ein Akt der Hoffnung

„In einem grossen Akt der Hoffnung verbündeten sich die kanadischen Aborigines mit anderen indigenen Völkern in aller Welt und erreichten, dass die Vereinten Nationen im Jahr 2007 die Erklärung über die Rechte der indigenen Völker annahm“, fuhr sie fort. Sowohl die kanadische als auch die US-amerikanische Regierung hätten gegen diese Erklärung gestimmt, die die spezifische Identität und Kultur der indigenen Völker sowie ihr Recht auf Land und natürliche Ressourcen – das für die Bewahrung der Lebensweise dieser Völker von entscheidender Bedeutung ist – anerkenne. Zudem fordere diese Erklärung den Schutz der Aborigines vor Genozid und Diskriminierung.

„Als Bürger und Bürgerinnen zweier Länder, die sich durch ihre Ablehnung der UN-Erklärung von anderen isolieren, scheint es mir wichtig, die Umsetzung dieser Erklärung als entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Erneuerung unserer Beziehungen und zur Wiederherstellung der globalen Gemeinschaft zu bekräftigen“, betonte Henry.

Zur Frage der Unternehmensverantwortung wies die KAIROS-Vertreterin darauf hin, dass „fast 60 Prozent aller Bergbau- und Explorationsunternehmen weltweit in Kanada gemeldet sind“ und Interessen in fast 100 Ländern hätten. „Kanada wird in den Entwicklungsländern immer weniger mit Friedenserhaltung oder Hilfe in Verbindung gebracht, dafür aber immer mehr mit Rohstoffgewinnung und Bergbauindustrie“, bemerkte sie.

„Wie können wir Verantwortung übernehmen und sicherstellen, dass unsere Unternehmen keinen Schaden anrichten?“, fragte Henry. Sie unterstrich die Notwendigkeit verbindlicher Rechtsvorschriften, die kanadischen Unternehmen Rechenschaft für ihre Aktivitäten im Ausland abverlangten. „Für die Wahrung der Integrität Nordamerikas scheint es mir wichtig zu sein, dass wir in einem globalen Forum wie der [LWB-] Vollversammlung die Frage stellen: ‚Können wir mehr tun, um zu gewährleisten, dass die Kooperationen, die wir mit multinationalen Unternehmen exportieren, innerhalb eines globalen Wirtschaftssystems reguliert werden, das für alle da ist?’“

Im Blick auf den Klimawandel betonte Henry, die nordamerikanischen Vollversammlungsteilnehmenden müssten ihren Schwestern und Brüder aus dem Süden zuhören: „Sie sagen uns, dass rein marktwirtschaftliche Lösungen, die unser Wirtschaftssystem nicht stören, inadäquat sind, ja sogar destruktiv sein könnten.“ Henry ging auch auf die Frage der massenhaften Umwidmung von Land für die Produktion von Agrartreibstoffen ein und zitierte Partner aus dem Süden, die sich selbst als „Opfer der tatsächlichen Auswirkungen des Klimawandels und Opfer der Lösungen für das Problem des Klimawandels“ bezeichneten.

Vision vom LWB

„Meine Vision vom LWB ist, dass er sich der Welt öffnet, um Gottes Aufruf zu einem Leben in Gemeinschaft zu hören. Dies erfordert ein hohes Mass an Vertrauen, an Transparenz in Arbeits- und Entscheidungsprozessen, an Kohärenz von Struktur und Programm und eine tiefe Bereitschaft, uns um Jesu willen drängen zu lassen, auch wenn es unbequem ist“, erklärte Pfarrerin Dr. Rebecca Larson, Direktorin von „Kirche in der Gesellschaft“ der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA).

In ihrem Vortrag gab Larson ihrer Hoffnung Ausdruck, dass die Diskussionen über die bevorstehende LWB-Vollversammlung sich auf die Frage „Wozu ruft die Welt den LWB zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf?“ konzentrieren werden. Ihr Traum sei es, so Larson, dass die in Stuttgart versammelte LWB-Gemeinschaft eine Vision von ihrem Auftrag in dieser Welt entfalten werde. Sie gab jedoch auch ihrer Befürchtung Ausdruck, „dass wir nicht annähernd phantasievoll, kreativ, mutig, leidenschaftlich und mitfühlend genug sein werden; dass unsere Beschäftigung mit Strukturen oder mit den zwischen uns bestehenden Differenzen uns von einer kreativen Auseinandersetzung mit unserem Auftrag abhalten wird.“

Leitlinien für eine respektvolle Kommunikation

Professorin Stacy Kitahata, die interkulturelle Studien im Trinity Lutheran College in Everett (USA) lehrt, präsentierte den NAPAC-Teilnehmenden „Leitlinien für eine respektvolle Kommunikation“. Die sieben Prinzipien, so Kitahata, spiegelten sich im Akronym R-E-S-P-E-C-T wider und stellten eine Einladung zu einer respektvollen und authentischen Kommunikation auf einer internationalen und multikulturellen Konferenz dar.

Kitahata gab den Teilnehmenden folgende Regeln mit auf den Weg: „R – wie ‚responsibility’ (Verantwortung): Übernehmen Sie Verantwortung für das, was Sie erkannt haben (fangen Sie Ihre Sätze mit ‚Ich’ an); E – wie empathisches Zuhören; S – wie sensibel: Seien Sie sensibel für unterschiedliche Kommunikationsstile; P – wie ‚ponder’(nachdenken): denken Sie darüber nach, was Sie fühlen und hören, bevor Sie etwas sagen; E – wie ‚examine’ (prüfen): prüfen Sie Ihre eigenen Sichtweisen und Denkweisen; C – wie ‚confidentiality’ (Vertraulichkeit): kommunizieren Sie konstruktiv und wahren Sie dabei eine gute, vertrauliche Atmosphäre; T – wie ‚trust ambiguity’ (Vertrauen trotz verschiedener Deutungsmöglichkeiten): vertrauen Sie einander, lassen Sie verschiedene Meinungen zu, denn wir sind nicht hier, um darüber zu diskutieren, wer recht und wer unrecht hat.“

Pfarrerin Dr. Barbara Rossing, Mitglied des LWB-Exekutivkomitees, konzentrierte sich in ihrer Bibelstudie auf das Lukasevangelium, denn „der lukanische Jesus ist ein Jesus, für den Essen sehr wichtig ist“. Rossing, die Neues Testament in der Lutheran School of Theology in Chicago (USA) lehrt, hob drei Aspekte im Lukasevangelium hervor, die mit dem Thema der LWB-Vollversammlung in Verbindung stehen: „Mahlzeiten öffnen uns die Augen, sodass wir das Reich Gottes erkennen.“ Im Lukasevangelium „ist Nahrung eine Frage der Gerechtigkeit – alle haben Anspruch auf ein Leben in Fülle und eine nachhaltige Wirtschaft.“ Und drittens: „Essen hat innerhalb der Kirche eine grenzüberschreitende Funktion. Jesus ass gemeinsam mit Pharisäern; er ass auch mit Sündern und Zöllnern.“

„Was kann unsere LWB-Vollversammlung tun, um Grenzüberschreitungen innerhalb unserer Gemeinschaft zu gestalten?“, fragte sie.

Die NAPAC-Delegierten gehören den drei LWB-Mitgliedskirchen in der Region an – der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche im Ausland, der ELKA und der ELKIK – die zusammen rund 4,9 Millionen Mitglieder haben.

Vorbereitende Konsultationen zur Vollversammlung – fünf auf regionaler und zwei auf internationaler Ebene – finden im Vorfeld der Vollversammlung statt, dem höchsten Entscheidungsgremium des LWB, das normalerweise alle sechs Jahre tagt. Die letzte Vollversammlung fand im Juli 2003 in Winnipeg (Kanada) statt. (1.201 Wörter)

Unterwegs | Vorbereitende Konsultation in Nordamerika

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