en|de|es|fr

HomeErlebenLWI-Nachrichten über die Vollversammlung

© LWB/T. Rakoto

05.11.2009

Hunger nach dem Brot der Gerechtigkeit

„Keine vollwertige Gemeinschaft“ ohne Frauen in Leitungsfunktionen

Genf, 5. November 2009 (LWI) – Eine Frau lebt mit ihrem acht Monate alten Kind auf der Strasse. Das Kind liegt in einem Karren voller Pappe und ist mit einer blauen Kordel festgebunden, damit es nicht herausfallen kann. „Das ist das Gesicht des Menschenhandels in Afrika“, erklärte Colleen Cunningham, die im Referat „Frauen in Kirche und Gesellschaft“ (FKG) der Abteilung für Mission und Entwicklung (AME) des Lutherischen Weltbundes (LWB) als Regionalkoordinatorin für das südliche Afrika arbeitet.

Die auf der Strasse lebende Frau stammt aus der Demokratischen Republik Kongo, berichtet Cunningham. Sie war als Opfer von Menschenhandel nach Südafrika gekommen, wo sie schwanger wurde. Später wurde sie nach Namibia verkauft, um in der Hauptstadt Windhoek als Strassenverkäuferin zu arbeiten. Ihr Verkaufsstand steht zwischen einer Kirche und den Parlamentsgebäuden.

Die FKG-Koordinatorin nannte das Beispiel dieser Frau in ihrem Beitrag zu regionalen Entwicklungen, den sie auf der Vorbereitenden Konsultation der Frauen zur Vollversammlung vorlegte. Die Diskussionen auf der Frauenkonsultation, die vom 27. bis 31. Oktober in Bogis-Bossey in der Nähe von Genf stattfand, beschäftigten sich mit dem Thema der Elften LWB-Vollversammlung „Unser tägliches Brot gib uns heute“ und dessen Bedeutung für Geschlechterrollen und Machtverteilung in Kirche und Gesellschaft.

Cunningham, die der Brüder-Unität in Südafrika angehört, legte in ihrem Bericht die Erkenntnisse dar, die sie durch ihre Arbeit als FKG-Koordinatorin in der Lutherischen Gemeinschaft im südlichen Afrika (LUCSA), einer der drei subregionalen LWB-Strukturen in Afrika, zum Thema Menschenhandel gewonnen hat.

Würde und Identität

Sie zählte weitere Faktoren auf, die sich im afrikanischen Kontext negativ auf Identität und Würde der Frauen auswirken, einschliesslich geschlechterbasierter Gewalt, HIV und AIDS, Zugang von Frauen zu Land und Ernährungssicherheit.

„Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten“, betonte Cunningham. Sie verwies auf das Theologinnenforum für ordinierte und nicht-ordinierte Frauen, das versucht, Theologinnen zu stärken und die Ordination von Frauen in der Subregion zu fördern.

„Die LUCSA hat sich jahrelang mit der Diskriminierung von Frauen in Kirche und Gesellschaft beschäftigt“, so Cunningham. „Leider haben fast alle Mitgliedskirchen in der LUCSA bis jetzt noch keine neuen Strukturen eingeführt, die die Gleichberechtigung der Geschlechter voranbringen würden.“ Sie stellte fest, dass bislang „keine ernsthaften Anstrengungen“ unternommen worden seien, um das vereinbarte Ziel einer 40-prozentigen Vertretung von Frauen zu verwirklichen, das letzten Endes Gleichberechtigung ermöglichen würde. „Die Diözesen und Ortsgemeinden im südlichen Afrika hinken hinter den meisten ihrer Kommunalverwaltungen zurück, die Gleichstellungskommissionen oder -ämter eingerichtet haben, um Fortschritte in dieser Angelegenheit zu erzielen“, erklärte sie.

Sexuelle Gewalt

„Wir sind hungrig. Wir hungern nach Veränderungen in unserem sozialen System und in unserer Theologie, die uns das Brot der Gerechtigkeit geben, der Gerechtigkeit für Frauen und Mädchen“, bekräftigte Dr. Mary J. Streufert vom Programm „Gerechtigkeit für Frauen“ der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA). „Sexuelle Gewalt ist in den Vereinigten Staaten weit verbreitet: 78 Vergewaltigungen pro Stunde beziehungsweise 1,3 Vergewaltigungen pro Minute. Nur sechs Prozent der Vergewaltiger müssen in den USA damit rechnen, für ihre Tat auch nur einen Tag im Gefängnis zu verbringen. Und eins von drei Mädchen wird sexuell missbraucht, bevor es 18 Jahre alt ist“, fügte Streufert hinzu.

„Die Art und Weise, wie sexuelle Gewalt das gesellschaftlich sanktionierte männliche Privileg, Macht über unsere Körper auszuüben, offenlegt, scheint mir in Zusammenhang mit dem ebenfalls gesellschaftlich sanktionierten männlichen Privileg zu stehen, Macht und Leitung in der Kirche auszuüben“, stellte sie fest.

Streufert nannte sexuelle Übergriffe, voyeuristische Aneignung des weiblichen Körpers und verbale Erniedrigung als Beispiele dafür, wie „Frauen und Mädchen unbewusst in die Akzeptanz dieser gesellschaftlichen Norm männlicher Privilegien getrieben werden.“

Nach Streufert gibt es zwei Schlüsselthemen in Luthers Theologie, die das ELKA-Programm „Gerechtigkeit für Frauen“ veranlassen, „Sexismus als zentrales Problem zu behandeln und mich persönlich als Leitungskraft zu stärken und zu bevollmächtigen… Diese zwei Themen sind die Rechtfertigung durch den Glauben sowie die Kreuzestheologie, die mir als feministischer Theologin besonders wichtig sind.“

Die Ziele des ELKA-Programms bestehen laut Streufert darin, Aufklärungsarbeit für Gerechtigkeit zu leisten, anwaltschaftlich für Wandel einzutreten und zukunftsweisend zu arbeiten, damit Gerechtigkeit für Frauen Wirklichkeit werden kann.

Die Teilnehmenden der Konsultation fassten das Ergebnis dieser internationalen LWB-Versammlung in einer Schlussbotschaft zusammen, die Menschenhandel, Frauen in Leitungspositionen und Ernährungsgerechtigkeit als Kernthemen für die lutherische Gemeinschaft, insbesondere im Vorbereitungsprozess für die Elfte Vollversammlung, die im Juli 2010 in Stuttgart (Deutschland) stattfinden wird, herausgreift.

Kulturelle Verwandlung

In ihrer Botschaft betonen die Frauen den „Hunger nach Gerechtigkeit und dem Brot des Lebens“ nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der lutherischen Gemeinschaft. Sie bringen ihre Sehnsucht nach einer kulturellen Verwandlung insbesondere in der LWB-Gemeinschaft zum Ausdruck, die ihres Erachtens „keine vollwertige Gemeinschaft (ist), wenn Frauen von Leitungspositionen ausgeschlossen werden“. Dies stelle eine von mehreren Formen der Ausgrenzung dar, so die Teilnehmenden.

Die Frauenkonsultation schloss sich dem LWB-Rat an, der auf seiner Tagung Ende Oktober dieses Jahres „die Umwandlung von Menschen in Handelsware, insbesondere zum Zweck der Zwangsarbeit, zu sexueller Ausbeutung oder Zwangsheirat, für bewaffnete Konflikte oder zur Organentnahme für Transplantationen“, uneingeschränkt verurteilt hatte.

Die Vorbereitende Konsultation der Frauen rief die LWB-Mitgliedskirchen auf, Frauen den Weg in Leitungspositionen zu ebnen. Die Teilnehmenden bekräftigten das Bekenntnis der LWB-Gemeinschaft zur Frauenordination und die Verpflichtung des Weltbundes, Möglichkeiten zu schaffen, damit Frauen in der weltweiten Gemeinschaft durch ihre Leitungsfunktionen Zeugnis ablegen können. Eine empfohlene Strategie besteht darin, die theologische Diskussion zu organisieren und nach Leitlinien für Gendergerechtigkeit zu suchen, die den Mitgliedskirchen helfen, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen entsprechend ihrem Kontext umzusetzen und zu fördern.

Darüber hinaus bekräftigten die Frauen auf ihrer Vorbereitenden Konsultation das Recht aller Menschen auf eine gesicherte vollwertige Ernährung und sauberes Wasser und prangerten an, dass Frauen zwar nach wie vor die Haupterzeugerinnen von Nahrungsmitteln seien, aber dennoch häufig als letzte ihr tägliches Brot erhielten. „Ernährungsgerechtigkeit erfordert Gerechtigkeit bei Erzeugung, Verteilung und Verbrauch von Nahrungsmitteln“, schlossen die Tagungsteilnehmenden.

Botschaft_VorbereitendenKonsultation_Frauen.pdf [PDF, 2MB]

Unterwegs | Vorbereitende Konsultation der Frauen

streaming

Videos von der Elften Vollversammlung

RSS-Feed Vollversammlungs-Nachrichten (DE)
Communio Garden Communio Garden
facebook facebook
youtube YouTube
flickr flickr
twitter Twitter-Feed der Vollversammlung